Wirklich Weihnachten

 

Die Kerze steht fest in ihrem Sockel,

bronzen und dickbäuchig stützt er das Wachs.

Im zarten Atemstoß erbebt die Flamme leicht und flackert.

 

Flüssiges Wachs eilt am weißen herab.

Auf dem gleichfalls bronzenen Teller hat sich bereits eine kleine Pfütze gebildet

– seitlich vom Rund des Halters –

doch der Boden ist schon wieder erkaltet und hart.

Fast wäre im Kerzenschein etwas entstanden

– ein Bild –

doch erneut lässt sanfter Wind die Flamme erbeben.

 

Verträumt sitzt er da und beobachtet das Spiel von Feuer und flüssigem Wachs

– er, der die Harmonie in Gang gesetzt hat –

und hält, als er eigentlich Luft holen müsste, den Atem noch an.

 

Die Flamme steht still und diesmal entwickelt sich wirklich

– geschieht das weihnachtliche Wunder –

ein Bild, dann viele.

 

Zuerst nur ganz schwach und im jetzt starren Feuer allein,

dann größer im reflektierenden Bronze des Halters.

Vom ebenfalls bronzenen Teller schaut jemand zu ihm auf

und selbst die Wachspfütze scheint leise zu lächeln,

als sie das verborgene Bild seiner Liebsten freigibt.

Drei Minuten verharrt er so,

braucht keine Luft,

braucht nur die Liebe.

 

Dann schlägt die Uhr,

der Atem entweicht,

die Flamme regt sich,

die Magie löst sich auf und

der weihnachtliche Zauber ist vorüber.

 

Immerhin ein Bild,

ein Gedanke,

ein Lächeln,

denkt er und fühlt, dass wirklich Weihnachten ist.

 Copyright by Andreas Seifert, 2007